Neue Chance für eine Gestaltung Synagogenplatz

Der Umgang mit der Namensgebung des Platzes, der erst auf Initiative des Arbeitskreises Judentum 1994 von "Zünfteplatz" in "Synagogenplatz" umbenannt wurde sowie die unzähligen Ortswechsel von Bonifatius Stirnberg gestalteten und Gedenkplakette seit der Errichtung im Jahr 1978 lassen aber schon erahnen, dass der Umgang mit der Geschichte dieses Platzes nicht immer einfach war…

Der Synagogenplatz auch in seiner heutigen Ausgestaltung wäre ohne die schrecklichen Ereignisse des Novemberpogroms der „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 nicht denkbar. Noch heute macht der rechteckige Zuschnitt des Platzes mehr als deutlich, dass es sich eigentlich um ein geschlossenes Grundstück innerhalb der Straßenflucht der Kölnerstraße gehandelt und um alles andere als ein historisch gewachsener Platz handelt. Das Grundstück befand sich ursprünglich im Eigentum der seit Jahrhunderten in Grevenbroich beheimateten Familie Goldstein, die es der Synagogengemeinde übereignete.

Ergreifend auch die Biographie des letzten Synagogenvorstehers Moritz Hertz. Er verlor einen seiner beiden Söhne im ersten Weltkrieg, der für sein Vaterland fiel, war über Jahrzehnte Vorsitzender der Synagogengemeinde in Grevenbroich. Aber er war auch ein in der Grevenbroicher Innenstadt bekannter, erfolgreicher und beliebter Einzelhändler auf der Breitestraße und später dann auf der Bahnstraße. In den 1920er Jahren gehörte er als Vertreter des Mittelstandes sogar dem Rat der Stadt Grevenbroich an. Die Synagoge an der Kölnerstraße gehörte über lange Zeit ebenso wie die jüdische Gemeinde mitten in das Leben unserer Stadt…

Nach der Schändung und der Zerstörung der Synagoge im November 1938 nahm Moritz Hertz die Verwüstungen in Augenschein, soll nach Hause auf die Bahnstraße gegangen sein, das Haus nicht mehr verlassen und kein Wort mehr gesprochen haben. Er ist dann wenige Tage später an „gebrochenem Herzen“ gestorben.

Die jüdische Gemeinde wurde gezwungen, im Februar des Jahres 1939 und unter Wert die Synagoge an die Stadt Grevenbroich zu „verkaufen“.

Erst im Laufe des Jahres 1939 wurde öffentlich angekündigt, eine Verbindungsstraße zum Südwall herrichten zu wollen.

Über ein Jahr erinnerte die Ruine noch an die Schändung in der „Reichskristallnacht“, bevor sie zum Jahresende niedergelegt und die angekündigten Straßenarbeiten vorgenommen wurden. Mit Spruchbändern über die „Schönheit“ der neuen Platzes in der Altstadt Grevenbroich und Presseberichten verhöhnte man noch die wenigen hier verbliebenen Grevenbroicher Juden und soll die Straße dann Anfang 1940 in „vom-Rath-Straße“ nach dem Opfer des Attentates, das Anlass für die Inszenierung des Pogroms der „Reichskristallnacht“ war, umbenannt haben.

Das einzig erhaltene Foto des Synagogengebäudes aus dem Jahr 1939 diente in der örtlichen Presse-Berichterstattung der Rheinischen Landeszeitung/Volksparole Ende 1939 unter der Überschrift „Ein Schutthaufen verschwindet“ als propagandistische Begleitung der Straßenbauarbeiten. Unfreiwillig erinnerte es alle Grevenbroicher an die Schändung und Niederlegung eines Gotteshauses.

Doch die Verfolgung der Juden bis hin zu ihrer Vernichtung nahm auch weiterhin ihren Lauf: Als letzte Gemeindemitglieder wurde das Ehepaar Lazarus & Julie Goldstein mit der im Haushalt lebenden Schwester/Schwägerin Hedwig Goldstein, deren Familie das Synagogengrundstück der Synagogengemeinde geschenkt hatte, im Juli des Jahres deportiert und ermordet. Insgesamt gibt es über in 200 Juden, die ich mittlerweile als im heutigen Stadtgebiet Grevenbroichs geborene oder hier länger lebende Holocaustopfer identifizieren konnte.

Seit 1988 hat der Arbeitskreis Judentum, seinerzeit noch gemeinsam mit der Hemmerdener Holocaustüberlebenden Marianne Stern-Winter, jedes Jahr rund um die Gedenktage des Novemberpogroms oder seit der Einführung des Holocaustgedenktag am 27. Januar 1996 gemeinsam mit weiterführenden Schulen Grevenbroich an die Namen der Holocaustopfer Grevenbroichs erinnert. Zunächst auf einer „Papp-Namenstafelwand“, dann auch mit der Verlesung ihrer Namen auf dem Synagogenplatz.

Seit nunmehr 10 Jahren organisiert "KKG gegen das Vergessen" außerdem gemeinsam mit dem Geschichtsverein Grevenbroich alljährlich zum 9. November eine Gedenkstunde mit anschließendem Gedenkmarsch zum Jüdischen Friedhof an der Montanusstraße.

Es gibt zwar in einzelnen Stadtteilen Grevenbroichs Erinnerungen an die dortigen jüdischen Gemeinden und auch an die ermordeten Gemeindemitglieder. Für das gesamte Stadtgebiet gibt es jedoch noch Handlungsbedarf für eine zentrale Erinnerung, um dieser Opfer namentlich zu gedenken. Hier wäre ein zentrales Denkmal, auf dem die Opfer namentlich verzeichnet sind, eine würdige Erinnerung. Hierfür setzen wir uns im Geschichtsverein Grevenbroich gemeinsam mit „KKG gegen das Vergessen“ ein.

Als Platz für ein solches Gedenken bietet sich der Synagogenplatz geradezu an. Die Überlegungen, den Platz attraktiver und auch mit mehr Aufenthaltsqualität – dies inklusive möglicherweise einer Außengastronomie - im Zuge des 2020 neu errichteten Gebäudes zu versehen, ist zu begrüßen. Sie tragen der mittlerweile in über 50 Jahren gewachsenen Struktur und Funktion des Platzes als Teil der Innenstadt nicht nur Rechnung, sondern würden den Platz sicher auch beleben! Deshalb kann eine geschichtsbewusste und der Jetzt-Zeit angepassten Gestaltung des Platzes nicht durch eine alleine dominierende Erinnerung an seine ursprüngliche und auch nicht mehr vorhandene Nutzung bestimmt werden, sondern muss allen Dimensionen dieses Platzes gerecht werden!

Auch jüdisches Leben war wie ausgeführt einstmals integrativer Bestandteil des städtischen Lebens und Teil der Stadtsilhouette Grevenbroichs. Die Erinnerung daran, aber eben auch Namen und Schicksal der jüdischen Grevenbroicherinnen und Grevenbroicher wie das des Innenstadteinzelhändlers Moritz Hertz nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ergibt sich aber auch aus der Geschichte des Synagogenplatzes.

Hierzu bieten sich eventuell auch Fördermittel des Landes NRW wie das "Heimatzeugnis" an, die speziell dazu aufgelegt sind, auch historische Orte in modernem Kontext sichtbar zu machen.

Ulrich Herlitz,
Vorsitzender Geschichtsverein Grevenbroich/Arbeitskreis Judentum

Grevenbroich, im November 2020


Aus diesem Grund möchte ich gerne meine Unterstützung und Mithilfe bei der Konzeptionierung und Neugestaltung des Synagogenplatzes anbieten. Hierzu bietet sich sicher auch das ober bereits angesprochene Landes-Förderprogramm "Heimat. Zukunft. Nordrhein-Westfalen. Wir fördern, was Menschen verbindet." an. Speziell das in dieser Förderkulisse vorgesehene „Heimat-Zeugnis“ käme für eine geschichtsbewusste Neugestaltung vielleicht in Frage!

Der Synagogenplatz – mitten im Leben unserer Stadt!
Ulrich Herlitz/Hans Wagner - Statt-Blatt Ausgabe November 2008

Der Name „Synagogenplatz“ erinnert an das ehemalige Gotteshaus der jüdischen Gemeinde Grevenbroichs, das sich ursprünglich auf diesem Grundstück befand. Vor den schweren Zerstörungen des Krieges stand dort außerdem die Gaststätte Königs, später Winand Breuer sowie im vorderen Bereich ein Wohnhaus, durch dessen Seitentür die im hinteren Bereich gelegene Synagoge erreichbar war.

Spätestens seit Mitte des 15. Jahrhunderts ist in Grevenbroich eine jüdische Gemeinde nachgewiesen, als 1446 der Herzog von Jülich-Berg Judengeleitbriefe auch für Grevenbroich ausstellte. Und wo zwölf jüdische Gemeindemitglieder, deren Namen aus Geleitbriefen und Listen der Gemeinde zur Heranziehung der Bürger zur Stadtwache namentlich bekannt sind, gab es eine Synagoge – einen Ort der Zusammenkunft, an dem aus der Thora gelesen wurde und der religiöse Mittelpunkt des Gemeindelebens war!

Das Grundstück befand sich ursprünglich im Eigentum der Familie Goldstein, die ihren Stammbaum in Grevenbroich über Generationen zurückverfolgen konnte. Auch der alte jüdische Friedhof, der erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit den Resten der östlichen Stadtumwallung - die Straßennamen Ost- und Südwall erinnern heute noch an diese Stadtbefestigung - abgetragen wurde, existierte schon lange, bevor 1824 der neue, heute noch existierende jüdische Friedhof angelegt wurde.

Mit der preußischen Emanzipationsgesetzgebung wurde die Grevenbroicher jüdische Gemeinde Sitz des 1858 gebildeten Synagogenbezirks Grevenbroich, der neben Grevenbroich die Spezialgemeinden Frimmersdorf-Neurath, Gindorf, Wevelinghoven, Hülchrath und Hemmerden umfasste. Doch Pläne, eine neue prachtvolle Synagoge zu bauen, kamen wohl über ein Planungsstadium nicht hinaus. Die Synagoge befand sich im Hinterhof des Grundstücks zum Südwall hin und ersetzte den ursprünglich wohl als Stallung bzw. Scheune oder Hinterhaus genutzten Gebäudeteil.

Noch in der Zeit des Nationalsozialismus behauptete sich die jüdische Gemeinde, bevor sie selbst im Jahre 1938 und im Zuge des verharmlosend „Reichskristallnacht“ genannten Pogroms am 9. November desselben Jahres auch das Synagogengebäude unterging. Die Benzinfässer zur Inbrandsetzung der Synagoge standen schon bereit. Doch Nachbarn, die nicht um das Gotteshaus, sondern um ihr Eigentum wegen des engen Fachwerks fürchteten, verhinderten dies. Dennoch wurde die Synagoge geschändet, die Thorarollen und liturgisches Gerät auf die Straße geschmissen sowie die jüdischen Nachbarn heimgesucht, ihre Wohnungen demoliert und sie selbst misshandelt.

Verschont blieb die Synagoge nicht. Die in Auflösung begriffene Gemeinde verkaufte das Grundstück an die Stadt, welche die Baulichkeiten noch fast ein Jahr stehen ließen. Erst im Laufe des Jahres 1939 wurde öffentlich angekündigt, eine Verbindungsstraße zum Südwall herrichten zu wollen. Über ein Jahr erinnerte die Ruine noch an die Schändung in der „Reichskristallnacht“, bevor sie niedergelegt und die angekündigten Straßenarbeiten vorgenommen wurden. Mit Spruchbändern über die Schönheit des neuen Platzes in der Altstadt Grevenbroich verhöhnte man noch die wenigen hier verbliebenen Grevenbroicher Juden, bevor sie – als letztes die Familie Goldstein im Juli des Jahres 1942 – in die Vernichtungsfabriken des Ostens deportiert wurden.

Die Erinnerung an den Standort der ehemaligen Synagoge war durchaus nicht selbstverständlich. Erst 1978, vierzig Jahre nach der „Reichskristallnacht“, wurde eine Gedenkplatte zur Erinnerung an die jüdische Synagogengemeinde angebracht, wobei der Standort der Gedenkplatte in den nachfolgenden Jahrzehnten mehrfach wechselte. In den Achtziger Jahren wurde der Platz dann „Zünfteplatz“ benannt, nachdem ein Kunstwerk, das die Zünfte thematisierte - die „Zünftesäule“ - dort aufgestellt wurde.

Erst in den neunziger Jahren wuchs das Bewusstsein um die historische Dimension des Platzes und man entschied sich, den Standort der „Zünftesäule“ zu verlegen, da die mittelalterlichen Zünfte nur christlichen Handwerkern offen standen und Juden explizit aus diesen Gemeinschaften ausgeschlossen waren. Und es dauerte noch einmal mehrere Jahre, bis der „Zünfteplatz“ dann in „Synagogenplatz“ umbenannt wurde.

Der „Synagogenplatz“ in Grevenbroich ist heute einer der zentralen und schönsten Plätze in der Grevenbroicher Innenstadt.

Im Zuge der Neugestaltung der Innenstadt zur Landesgartenschau 1995 wurde er mit Platanen eingefasst und im Innenbereich mit einem Kopfsteinpflaster versehen.

Zahlreiche Fachgeschäfte haben sich rund um den Platz angesiedelt und die Geschäfte am Südwall ergänzen das Angebot rund um den Synagogenplatz. Der Platz selber wird gerne auch als Fläche für die Gastronomie und als Veranstaltungsplatz genutzt. Während der City-Feste – auch jetzt zum „Moonlightshopping“ – dient er als Platz für Künstler und Aktionsfläche für Sonderveranstaltungen. Und der Synagogenplatz erinnert – insbesondere an Gedenktagen wie dem siebzigsten Jahrestag der „Reichskristallnacht“ - an das einstige blühende jüdische Leben in Grevenbroich ebenso wie an dessen Vernichtung.

Attraktiver Einzelhandelsstandort, lebendiger Platz im städtischen Leben und Ort der Erinnerung - der „Synagogenplatz“ hat seinen Platz mitten im Leben unserer Stadt gefunden.