Aus der Geschichte lernen - Volkstrauertag 2008

Zum Volsktrauertag am 16. November 2008 hat Bürgermeister Dr. Axel J. Prümm Schülerinnen des Gesellschaftslehrekurses der Klaase 10 der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule eingeladen, die mit ihrer Lehrerin Magda Gladbach-Schmitz der Frage nachgegangen sind, inwieweit das Grundgesetz eine Antowrt auf die nationalsozialistische Diktatur gewesen ist.

Die Schülerinnen Hannah Thelen, Rachel Lentzen und Esra Demircan haben gemeinsam mit Dr. Axel J. Prümm auf dem Volkstrauertag am Grevenbroicher Denkmal auf dem Platz der Deutschen Einheit vorgetragen.

Bürgermeister Dr. Prümm:

Unser Grundgesetz ist nicht nur die Verfassung unserer Demokratie und enthält den Wertekonsens unserer freiheitlichen Gesellschaft, sondern ist auch eine direkte Antwort auf Diktatur, Terror und Krieg, den Deutschland und die Welt in den beiden Weltkriegen und der gescheiterten Republik von Weimar erfahren hat.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur weise gehandelt. Auch heute noch hat es nichts von seiner Aktualität verloren.

Auch als wir hier an dieser Stelle am 3. Oktober 1990 – übrigens gemeinsam mit dem Bürgermeister unserer französischen Partnerstadt St. Chamond – den „Siegesplatz“ in „Platz der deutschen Einheit“ umbenannt haben, haben beide deutschen Staaten das Grundgesetz trotzt der Wiedervereinigung beibehalten. Eine weise Entscheidung, wie ich meine.

Hören wir nun, was unsere gemeinsame gesellschaftliche Grundlage ist und hören wir den Schülerinnen – also unserer nachfolgenden Generation, unserer Zukunft - aufmerksam zu, die sich mit dem Grundgesetz auseinandergesetzt haben und

Präambel des Grundgesetzes (Rachel)

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben

Bürgermeister Dr. Prümm:
Das Grundgesetz – unsere Verfassung – ist seit nunmehr über 60 Jahren die Antwort auf Krieg und Gewalt, die wir Deutschen aus bitterer Erfahrung und die Väter und Mütter des Grundgesetztes aus kluger Weitsicht gefunden haben.

Artikel 1 des Grundgesetzes (alle 3 Schülerinnen)

Die Würde des Menschen ist unantastbar.Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Bürgermeister Dr. Prümm:
Der Krieg stellt das fundamentalste Recht eines jeden infrage. Drei Kriegerdenkmäler alleine in der Grevenbroicher Innenstadt mit den Namen der Opfer aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, dem ersten und dem zweiten Weltkrieg geben bis heute ein stummes Zeugnis für die gefallenen Soldaten, die zivilen Opfer der Bombenangriffe auf unsere Vaterstadt, die Ermordeten des nationalsozialisti-schen Regimes sowie die Opfer des Holocaust ab. Aber auch Flucht und Vertrei-bung sind Folgen des Krieges – in Grevenbroich haben wir nach 1945 viele Menschen aufgenommen, die zwangsweise ihrer Heimat den Rücken kehren mussten.

Artikel 2 des Grundgesetzes (Hannah)

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Artikel 3 des Grundgesetzes (Esra)

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Artikel 4 des Grundgesetzes (Rachel)

Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.

Bürgermeister Dr. Prümm:
Dort, wo Krieg, Gewalt und Hass regieren, verliert die Wahrheit an Gewicht. Durch Lügen und Propaganda werden Feindbilder aufgebaut und gegen Andersdenkende gehetzt, wird die Wahrhaftigkeit mit Füßen getreten. In der Kriegspropaganda der örtlichen Medien wurden auch in Grevenbroich vermeintliche kriegerische Erfolge propagiert, Kritiker denunziert und die Unwahrheit über das wahre Gesicht der Diktatur verbreitet.

Artikel 5 des Grundgesetzes (Esra)

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Eine Zensur findet nicht statt.

Bürgermeister Dr. Prümm:
Unsere Jugend ist unsere Zukunft. Ihnen muss unserer besondere Aufmerksamkeit gelten. Die Erfahrungen zweier deutscher Diktaturen haben uns gelehrt, dass die Vereinnahmung der Jugend durch staatliche Indoktrination besonders gefährlich ist.

Artikel 6 des Grundgesetzes (Hannah)

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.

Bürgermeister Dr. Prümm:
Nur dort, wo Menschen zusammentreffen und gemeinsam ihre Meinungen austauschen, ist die Grundlage einer offenen Gesellschaft gelegt. Die brutale Unterdrückung jeglicher Opposition, die Auflösung von Parteien und das Verbot von Versammlungen haben den Boden bereitet, auf dem der Vernichtungskrieg erst ermöglicht wurde.

Artikel 8 des Grundgesetzes (Rachel)

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Artikel 9 des Grundgesetztes (Esra)

Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

Bürgermeister Dr. Prümm:
Die Verfolgung Andersdenkender ebenso wie der totale Krieg machten machten weder Halt vor einer Privatsphäre oder dem Eigentum von Menschen. Auch die Zugehörigkeit zur staatlichen Gemeinschaft der Deutschen konnte willkürlich entzogen werden, um die Vernichtung der Individualität, ja sogar des Individuums an sich zu ermöglichen.

Artikel 13 des Grundgesetzes (Hannah)

Die Wohnung ist unverletzlich.
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

Artikel 16 und Art 16a des Grundgesetzes (Rachel)

Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Bürgermeister Dr. Prümm:
Wir haben gelernt aus unserer Geschichte. Seit über 60 Jahren leben wir nun in Frieden und Freiheit. Darauf können wir zu recht stolz sein. Ich bin froh, dass sich unsere Jugend bewusst ist, auf welcher Grundlage wir dies erreicht haben. Auch angesichts neuer Bedrohungen von Gewalt und Terror von innen wie von außen muss es uns gelingen, jeden Tag aufs neue eine Antwort zu finden. Unsere Demokratie ist die beste Antwort hierauf. Und wir bekennen uns zu einer wehrhaften Demokratie, die wir zu verteidigen wissen, wenn es darauf ankommt!

Artikel 20 des Grundgesetzes (alle 3 Schülerinnen)

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Bürgermeister Dr. Prümm:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Jugend ist unsere Zukunft. Wenn ich hier die jungen Schülerinnen Hannah, Rachel und Esra gehört habe, so blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Ich habe die Hoffnung, dass Frieden und Freiheit auch weiterhin das Bild unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft auch in Zukunft prägen wird. Ich glaube, wir haben die richtige Antwort auf Krieg, Hass und Gewalt gefunden. Es gilt, sie jeden Tag aufs neue zu verteidigen.

Wir verneigen uns vor den Opfern von Krieg, Hass und Gewalt und rufen ihnen zu: Euer Tod war nicht vergeblich!